Inhaltsangabe: Gemeinsames Wohnen im Alter nimmt in der öffentlichen Diskussion zwar einen relativ hohen Stellenwert ein, wird jedoch noch wenig umgesetzt. Fachexperten nennen als Grund hierfür die fehlende Beratung für Verbraucher über diese Wohnmöglichkeit im Alter. Es stellt sich die Frage, wie die Verbraucherberatung selbst ihre Rolle darin sieht und wie sie sich positionieren möchte. Dazu wurden im Rahmen dieser qualitativen Studie Berater von neun Verbraucherberatungsstellen interviewt. Das Buch bietet einen Überblick über die Vorgehensweise und die Ergebnisse dieser Untersuchung und unterzieht diese einer kritischen Reflexion.
Aus der Einleitung: Senioren sind eine Gruppe von Verbrauchern, die infolge der derzeitigen demographischen Alterung der Gesellschaft zunehmend Beachtung findet. Manche politische Entscheidungsträger und Mitglieder einer zu diesem Thema eingerichteten Forschungsgemeinschaft sehen darin eine Bedrohung für die Zukunftsfähigkeit der Wohlfahrtsstaaten. Trotz dieser eher düsteren Aussichten wird die steigende Anzahl an älteren Menschen keinesfalls nur negativ gesehen. Denn es ist bei weitem nicht so, dass wir in eine Zukunft mit überwiegend pflegebedürftigen Senioren steuern. Ganz im Gegenteil, es gibt eine große und steigende Anzahl an gesunden und aktiven älteren Menschen. Diese können auch nach ihrer Erwerbsphase der Gesellschaft in Form von Wissensvermittlung, sozialem Engagement, Arbeits- und Wirtschaftskraft einen erheblichen Nutzen bietet. Leider geht dieses Potential jedoch auf Grund vieler Hürden und Probleme häufig verloren. Mangelnde soziale Kontakte und geringer finanzieller Spielraum sind Teil dieser Problematik. Eine nicht unwesentliche Ursache hierfür ist, dass die meisten Senioren - oftmals alleine - in ihrer bestehenden privaten Wohnung bleiben. Dabei gibt es durchaus alternative Wohnformen, die das Leben älterer Menschen spürbar zufriedener machen könnten. Insbesondere gehören hierzu Formen Gemeinsamen Wohnens im Alter, wie etwa das Mehrgenerationenwohnen, welche durch Vorteile wie Gesellschaft, gegenseitige Hilfe und auch mögliche wirtschaftliche Vergünstigungen positiv zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen können. Auch wenn sogenannte "Alten-WGs" über die Medien weiter an Bekanntheitsgrad gewinnen, das Interesse an Haugemeinschaften für ältere Menschen steigt und zunehmend Senioren Gemeinsames Wohnen im Alter als reizvoll bezeichnen, führt diese Wohnform weiterhin ein Nischendasein. Oftmals scheitern entsprechende Projekte schon in frühen Phasen, da Senioren mit der Umsetzung meist überfordert sind. Hier könnte Beratung für die Planung, Organisation und Abstimmung hilfreich sein. In welchem Umfang das Thema Gemeinsames Wohnen im Alter (GeWoA) bei Beratungsstellen seinen Platz findet und inwieweit angebotene Beratung auch von Senioren genutzt wird, darüber ist allerdings kaum etwas bekannt. Um herauszufinden, wie die Sicht der Verbraucherberatungsstellen hierzu ist und ob das Gemeinsame Wohnen im Alter eine neue Beratungsherausforderung darstellt, soll mit vorliegender qualitativer Studie erforscht werden. Folgende zentrale Fragestellungen stehen dabei im Vordergrund: Welchen Stellenwert hat die Beratung zum Gemeinsamen Wohnen im Alter in der Seniorenberatung heute? Welche Rolle wird Gemeinsames Wohnen im Alter nach Ansicht der Berater zukünftig haben? Inwieweit ist mit dem Gemeinsamen Wohnen im Alter ein besonderes Engagement der Verbraucherberatungsstellen (VBS) verknüpft? Im kommenden Kapitel (Kap. 2) werden hierzu die theoretischen Grundlagen für die Studie gelegt und der wissenschaftliche Standpunkt über die Verbrauchergruppe der Senioren, Gemeinsames Wohnen im Alter, Verbraucherberatung für Senioren und speziell die Verbraucherberatung über Gemeinsames Wohnen im Alter aufgezeigt. Im empirischen Teil der Arbeit werden die ausgewählte Forschungsmethodik erläutert (Kap. 3) und anschließend (Kap. 4) die Ergebnisse dargestellt. Diese werden im Folgenden (Kap. 5) interpretiert und diskutiert. Im Schlusskapitel (Kap. 6) folgt eine Zusammenfassung der vorliegenden Arbeit, in der zusätzlich die Ergebnisse der Studie kritisch reflektiert sowie mögliche weitere Forschungsthemen aufgezeigt werden.Inhaltsverzeichnis:Inhaltsverzeichnis: 1.Einleitung und Fragestellung1 2.Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen3 2.1Senioren3 2.2Gemeinsames Wohnen im Alter8 2.3Verbraucherberatung für Senioren19 2.4Verbraucherberatung über Gemeinsames Wohnen im Alter26 3.Forschungsmethodik30 4.Ergebnisdarstellung35 4.1Allgemeines zu den Verbraucherberatungsstellen36 4.2Beratung über Wohnen im Alter37 4.3Beratung über Gemeinsames Wohnen im Alter40 4.4Beschäftigung mit dem Gemeinsamen Wohnen im Alter47 4.5Meinung der Berater über Gemeinsames Wohnen im Alter49 4.6Zukünftiges vorstellbares Engagement der Verbraucherberatungsstellen zur Verbreitung des Gemeinsamen Wohnens im Alter57 5.Interpretation und Diskussion62 6.Zusammenfassung und Ausblick83 Literaturverzeichnis86Textprobe:Textprobe: Kapitel 2.2, Gemeinsames Wohnen im Alter: Relevanz Gemeinsamen Wohnens im Alter: Die Formen des "Gemeinsamen Wohnens" sind für ältere Menschen eine zunehmend interessante Wohnalternative und so gewinnen auch entsprechende Wohnangebote für Senioren an Relevanz. Nach vorherigen dargelegten Merkmalen der heutigen Senioren, wie z. B. mehr aktive Zeit, mehr Eigenständigkeit, jedoch auch häufige Vereinsamung, ist zu vermuten, dass zukünftig mehr ältere Menschen nach "Alternativen zum herkömmlichen Angebot des Eigenheims, der Wohnung und des Pflegeheims" suchen. Diese Annahme unterstützt eine Schweizer Studie des Age Reports, in der im Jahr 2003 immerhin 21% der befragten zu Hause lebenden Menschen (60 Jahre und Älter) das Zusammenleben mit anderen Menschen als wünschenswert empfanden. Genauso sagt eine repräsentative Studie der des bbw Marketing aus, dass ältere Menschen (in diesem Fall über 50 Jahre) einen starken "Wunsch nach gemeinschaftlichen Lebensformen haben, die gleichzeitig ein selbstbestimmtes Wohnen im Alter ermöglichen". Von 28 % der befragten Senioren, die Veränderungspläne hinsichtlich ihrer Wohnform haben, gaben 16 % an, einen Umzug in ein Gemeinschaftliches Wohnen vorzuhaben. Ferner hatten sich bereits 14% aller befragten Senioren zum Thema Gemeinschaftliches Wohnen informiert, das somit zwar weniger Informationsnachfrage als ambulante Dienste und Betreutes Wohnen gefunden hat, jedoch mehr als eine barrierefreie Anpassung der eigenen Wohnung. Auch die Lebensweise und der bessere Gesundheitszustand heutiger und zukünftiger Senioren weißt darauf hin, dass sie in einem höheren Maße Wohnformen nachfragen werden, "die ein aktives, sozial integriertes nachberufliches Leben ermöglichen" und das nicht nur für die reichen Senioren zu finanzieren ist Da zu vermuten ist, dass es auch viele Senioren der nächsten Generation mit einem relativ geringem Einkommen geben wird, würde dies für eine zukünftige erhöhte Nachfrage von Senioren nach Formen des gemeinsamen Wohnens sprechen und dessen Bedeutung in der Gesellschaft stärken. Die Zunahme der Zahl alter Menschen und das steigende Interesse am Gemeinsamen Wohnen im Alter sind wesentliche Argumente, warum diese Nischenwohnform relevant ist und in Zukunft möglicherweise stärker gefördert wird. Ein weiterer Aspekt GeWoA ist dessen möglicher Einfluss auf eine nachhaltige Entwicklung. Nach der Definition von 1987 der "Weltkommission für Umwelt und Entwicklung" ist dies "eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen". Dabei sollen "ökonomische, soziale und ökologische Herausforderungen" miteinander vernetzt werden. Dies ist im folgenden Schaubild dargestellt (siehe Abbildung 1: Schnittmengenmodell der nachhaltigen Entwicklung) Die Befürchtung von politischen Entscheidungsträgern und Forschern, dass die Wohlfahrtsstaaten durch die Alterung der Gesellschaft nicht mehr zukunftsfähig sind, könnte durch einen möglichen nachhaltigen Aspekt des Gemeinsamen Wohnens beschwichtigt werden. Denn es gibt "kaum ein vergleichbares Beispielfeld, bei dem das komplexe Beziehungsgeflecht zwischen ökologischen, ökonomischen und sozialen Zielen und Aspekten so stark ausgeprägt ist wie beim Thema `Bauen und Wohnen`", wobei insbesondere das Gemeinsame Wohnen im Alter viele Potenziale zu einer nachhaltigen Entwicklung aufzuweisen scheint. Nach Sennlaub gibt es relativ viele nachhaltige Chancen des GeWoA. Demnach sind mögliche ökologische Vorteile "die Verringerung des Konsums an Gebrauchsgütern, die Reduzierung des Wohnflächenverbrauchs durch das Auslagern von Wohnfunktionen in einen gemeinschaftlichen Bereich, und (…) die urbane Alternative zum Wohnen im suburbanen Einfamilienhaus (unter anderem mit dem Vorteil der Reduzierung von täglichen Autoströmen)". Die Solidargemeinschaft einer gemeinsamen Wohnform fördert zudem das soziale Potential, welches in der heutigen Gesellschaft leider nicht mehr selbstverständlich ist und häufig vermisst wird. Denn in Formen des GeWoA existieren ein höherer Gemeinschaftssinn und weniger Eigennutz. Zuletzt gibt es auch noch den ökonomischen Anteil, der selten als nachhaltiger Effekt in der Literatur Beachtung findet, jedoch gerade beim Gemeinsamen Wohnen bedeutsam sein kann. Durch GeWoA können zum einen finanzielle Vorteile für die Bewohner entstehen, indem sie sich Wohnkosten wie Miete und Strom teilen und weniger Geld für gemeinschaftliche Gebrauchsgüter aufwenden müssen. Zum anderen muss auch der Vermieter eventuell weniger Geld für Reparaturen etc. aufwenden, wenn davon ausgegangen werden kann, dass die Bewohner auf Grund der gemeinsamen Verbundenheit einen fürsorglicheren Umgang mit der Hausanlage haben, als übliche Mieter. Ähnlich sieht es für die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft aus. Wohnungsbauunternehmen, welche durch die demographischen Veränderungen über leerstehende Häuser verfügen, können in Menschen, die ein Gemeinsames Wohnen in einer Hausgemeinschaft planen, eine neue Zielgruppe finden und sich je nach Bedarf als Bauträger oder Vermieter anbieten. Vorteile für die Wohnungswirtschaft können auch hier geringere Instandsetzungs- und Betriebskosten sein, da die eigene Hausmitgestaltung der Bewohner eventuell zu einem fürsorglicheren Umgang der Bewohner mit dem Mietobjekt führt. Ferner ziehen in Projekten des GeWoA weniger Menschen aus und ein, wodurch geringere Verwaltungskosten für das Wohnungsunternehmen resultieren. Durch die Beteiligung der Bewohner an der altengerechten Wohnungsgestaltung ergibt sich zudem der Vorteil, dass automatisch der "reale Nachfragebedarf" ermittelt wird. Neben den Vorteilen für den Wohnungsmarkt kann GeWoA auch den Kommunen finanziell zu Gute kommen, wenn hierdurch wieder mehr Menschen vom Umland in die Stadt ziehen und somit mehr Steuereinnahmen vorhanden sind. "Für die Innenstadtentwicklung eröffnet sich hier eine neue Chance: Brachliegende Gelände, in einigen Fällen sogar die verlassenen Gebäude darauf, können für Wohnzwecke umgenutzt werden und Wohnqualität bieten, die sich an den veränderten Wohnansprüchen orientiert". Überdies können staatliche Stellen durch die Selbstbestimmtheit beim gemeinsamen Wohnen profitieren, indem die Kosten durch mehr Eigenverantwortung und bürgerschaftliches Engagement gesenkt werden können.